Erfahrungsaustausch zum Thema „Digitalisierung der Justiz“

Grafik: IRZ
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Marokko / Tunesien

Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ist das Thema Digitalisierung in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen stärker in den Vordergrund gerückt. Auch im Justizwesen wird das Thema intensiv diskutiert und mit der Forderung nach einer schnelleren und stärkeren Digitalisierung verbunden. Vor diesem Hintergrund organisierte die IRZ am 12. November 2020 einen Erfahrungsaustausch.

Das Online-Seminar, das sich an rund 40 Teilnehmende aus der Justiz Marokkos und Tunesiens richtete, wurde in Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Justizministerium durchgeführt und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) finanziert.

Es setzte die Veranstaltungsreihe in diesem Themenbereich mit weiteren afrikanischen Partnerstaaten der IRZ fort und diente als Einstieg in den vielfältigen Komplex „Digitalisierung der Justiz“. Insbesondere mit Blick auf die derzeitige Krisensituation wurde das Online-Seminar unter besonderer Berücksichtigung des elektronischen Rechtsverkehrs konzipiert und setzte folgende drei Schwerpunkte:

  • elektronischer Rechtsverkehr und E-Justice,
  • elektronisches Postfach und Verhandlung auf Distanz sowie
  • Datensicherheit.

Die internationale Zusammensetzung des Seminars machte es möglich, die Sichtweisen und Erfahrungen aus Deutschland, Marokko und auch Tunesien zu den oben genannten drei Bereichen nebeneinander zu stellen und zu diskutieren. Dabei konnten die Expertinnen und Experten sowie die Teilnehmenden trotz unterschiedlicher Herangehensweisen in den jeweiligen Ländern häufig identische Probleme identifizieren.

Im Auftrag der IRZ nahmen an dem Erfahrungsaustausch teil:

  • Yvonne Bach, Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Düsseldorf
  • Dr. Lars Bierschenk, Richter am Landgericht Bonn
  • Rechtsanwalt Hatem Rouatbi, Universitätsprofessor und Direktor des Forschungslabors „Beilegung von Streitigkeiten und Vollstreckungsmethoden“ der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tunis-El Manar

Die Referentinnen und Referenten des Online-Seminars aus dem Königreich Marokko kamen aus dem Justizministerium, dem Hohem Justizrat, der Staatsanwaltschaft sowie der Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR). 

Im Verlauf der Veranstaltung wurde deutlich, dass alle Beteiligten eine Chance in der Digitalisierung der Justiz sehen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass diese schnell vorangetrieben werden soll. Sie sehen digitale Verfahren als unabdingbar für ein modernes Justizwesen. Dabei müsse u.a. sichergestellt werden, dass alle betroffenen Akteure Zugang zur Digitalisierung erhielten. In diesem Zusammenhang wurde die verfassungsrechtliche Gewährleistung mit Blick auf Gerichtsverfahren diskutiert, wobei vor allem die Verfahrens- und Prozessgrundrechte im Fokus standen.

Das Online-Seminar diente als Auftaktveranstaltung. Der rege Austausch von Praxis und Wissenschaft sowie die Einbeziehung mehrerer Institutionen unterstreicht die Aktualität und den Facettenreichtum des Themas. Das Interesse an der Veranstaltung war ausgesprochen hoch.

Es ist vorgesehen, die Zusammenarbeit zur Stärkung der elektronischen Kommunikation der Justiz in Marokko und weiteren Partnerländern des Projektbereichs in Zukunft fortzusetzen und zu intensivieren.

Erfahrungsaustausch online zum Thema „Alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft“

Grafik: IRZ
Grafik: IRZ
Marokko

Am 30. September 2020 veranstaltete die IRZ in Kooperation mit der Oberstaatsanwaltschaft Marokko ein Fachgespräch über alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft. Die Online-Veranstaltung, die sich an rund 40 Teilnehmende aus der marokkanischen Oberstaatsanwaltschaft richtete, wurde im Rahmen der institutionellen Zusammenarbeit durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) finanziert.

Als IRZ-Experten begleiteten Pascal Décarpes, Internationaler Berater auf dem Gebiet des Strafvollzugs, und Andreas Stüve, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, den Erfahrungsaustausch. Für die marokkanische Oberstaatsanwaltschaft gestalteten Mohamed Oukhlifa, Leiter des Referats für Technische Internationale Zusammenarbeit, sowie Mourad Alami, Leiter der Abteilung für die Implementierung der Strafpolitik, die Veranstaltung, die sie auch eröffneten.

Seit 2017 ist die Oberstaatsanwaltschaft Marokkos als unabhängige Institution tätig und steht vor großen Herausforderungen. Dazu zählt zum Beispiel die zu hohe Personenzahl in Untersuchungshaft. Dies kann unter anderem auf fehlende Alternativen zum Vollzug der Freiheitsstrafe zurückgeführt werden. Aufgrund dieser Ausgangslage widmete sich die Auftaktveranstaltung mit der marokkanischen Staatsanwaltschaft dem Themenbereich der alternativen Strafen sowie Alternativen zur Untersuchungshaft.

Die IRZ- Experten stellten zunächst das deutsche Strafrechtssystem mit folgenden Themenschwerpunkten vor:

  • allgemeine Strafvorschriften
  • Effizienz im Strafsystem
  • Haftzeit
  • Begrenzung von Untersuchungshaft

Im Anschluss berichteten die marokkanischen Experten von ihren Erfahrungen in Bezug auf die Strafpolitik und Alternativen zur Untersuchungshaft. Dabei gingen sie auf die Herausforderungen im Bereich der Strafverfolgung und Strafzumessung, inklusive des Vollzugs von Untersuchungs- und Strafhaft, näher ein. Ihre deutschen Kollegen steuerten ihre Erfahrungen zu diesem Themenkomplex ebenfalls bei. Auf marokkanischer Seite stießen die deutschen Modelle der Vollzugslockerung und Strafaussetzung, der Straffälligenhilfe sowie die Alternativen zur Untersuchungshaft auf besonderes Interesse. Das wurde auch in der anschließenden lebhaften Diskussion deutlich. Fazit: Der Online-Erfahrungsaustausch war produktiv und konstruktiv. Die engagierte Mitwirkung der Teilnehmenden unterstrich den aktuellen Bedarf an einem Erfahrungsaustausch zu diesem Themenbereich. Die marokkanischen Partner bekundeten ihren Wunsch nach weiteren Austauschmöglichkeiten. Die IRZ plant daher, die Kooperation mit der marokkanischen Oberstaatsanwaltschaft in Zukunft fortzuführen.

Zwei Seminare zu Strafvollzugsthemen in Marrakesch und Tanger

Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Referentinnen und Referenten des Seminars „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ in Tanger
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Referentinnen und Referenten des Seminars „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ in Tanger
Marokko

Im Rahmen des Projekts „Zusammenarbeit mit dem Königreich Marokko auf dem Gebiet des Strafvollzugs“ richtete die IRZ vom 3. bis 6. März 2020 in Marrakesch und am 10. und 11. März 2020 in Tanger zwei Seminare aus. Das vom Auswärtigen Amt geförderte Projekt setzt die IRZ seit 2017 in enger Kooperation mit der marokkanischen Generaldirektion für Strafvollzug und Resozialisierung (DGAPR) um. Wichtigste Ziele des Projekts sind der Schutz der Menschenrechte sowie deren Einhaltung im Strafvollzug. Ergebnis der Zusammenarbeit von DGAPR und IRZ wird ein Handbuch sein, das grundlegende Themen des Strafvollzugs aufgreift, z.B. die Rechte und Pflichten der Inhaftierten sowie die Gestaltung der Resozialisierungsmaßnahmen. In Marokko sind zurzeit insbesondere die unzureichende allgemeine Finanzsituation und die zu niedrigen Gehälter aller Berufszweige im Strafvollzug sowie der Fachkräftemangel zentrale Herausforderungen der DGAPR bei der Umsetzung der angestrebten Reformen im Strafvollzug.

Das Projekt verfolgt einen regionalen Ansatz, damit möglichst viele Beamtinnen und Beamte der DGAPR aus unterschiedlichen Regionen in Marokko an den Veranstaltungen teilnehmen können. Deshalb fand das Seminar „Berufliche, handwerkliche und künstlerische Ausbildung von Inhaftierten“ in Marrakesch und das Seminar „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ in Tanger statt.

Seminar „Berufliche, handwerkliche und künstlerische Ausbildung von Inhaftierten“ in Marrakesch

Dieses Seminar bestritten die IRZ-Expertinnen Katja Adolph, Leiterin Beschäftigung und Qualifizierung in der Jugendstrafanstalt Berlin, und Nicole Wolter, Leiterin der dortigen Gärtnerei. Das Seminar begleitete thematisch zentrale Reformschritte der DGAPR bei der Umsetzung ihrer Strategie zur Resozialisierung der Inhaftierten. Im Zuge dessen sollen Gefangene bei ihrer Resozialisierung durch Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung unterstützt werden. Diese Angebote sollen die Fähigkeiten der Inhaftierten stärken, nach ihrer Entlassung einen Beruf zu ergreifen. Über die Klassifizierung von Inhaftierten und eine individuelle Diagnostik muss dazu vorab festgestellt werden, welcher Bedarf an Aus- und Weiterbildung konkret besteht. Dabei sollen selbstverständlich auch die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts berücksichtigt werden, z.B. durch Maßnahmen im EDV-Bereich. Sie stehen idealerweise im Zentrum einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen Aus- und Weiterbildung in Strafanstalten. Zur Anerkennung der erworbenen Abschlüsse sowie bei der Gestaltung der Aus- und Weiterbildung sollen die Justizvollzugsanstalten zudem eng mit externen Akteuren aus der Zivilgesellschaft sowie aus dem staatlichen Bereich zusammenarbeiten.

Seminar „Menschenwürdige Behandlung von Inhaftierten im marokkanischen Strafvollzug“ in Tanger

In diesem Seminar referierten als Expertin und Experte Dr. Angelika Burghardt-Kühne, Diplompsychologin in der JVA Heidering, und Mike Jahncke, Leiter Vollzugdienstmanagement in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Als weiterer Teil einer Veranstaltungsreihe (Seminar zu den menschenrechtlichen Standards im Strafvollzug in Tétouan) beschäftigte sich das Seminar mit der psychotherapeutischen Versorgung der Inhaftierten. Um diese zu verbessern, sollten Sonderbereiche in den Justizvollzugsanstalten eingerichtet werden. Ziel sollte es sein, vulnerable Inhaftierte und Hochrisiko-Inhaftierte fachgerecht zu betreuen und auch nach dem Übergang in die regulären Bereiche eine menschenwürdige Behandlung dieser Sondergruppen beizubehalten. Dr. Angelika Burghardt-Kühne betonte im Verlauf des Seminars, wie wichtig es sei, die Beamtinnen und Beamten des Strafvollzugs mit dem Fokus auf psychisch erkrankte Inhaftierte regelmäßig weiterzubilden. Dabei sei es von großer Bedeutung, das Verhalten der Inhaftierten möglichst frühzeitig zu diagnostizieren. Auch deshalb müsse die Übung des Alarmfalls ein zentraler Bestandteil der Ausbildung im Allgemeinen Vollzugsdienst sein.