Delegation des albanischen Obersten Gerichts zu Fachgesprächen in Leipzig und Berlin

Die Delegation des Obersten Gerichts der Republik Albanien zu Besuch am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Die Delegation des Obersten Gerichts der Republik Albanien zu Besuch am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Albanien

Vom 28. und 29. Juni 2022 hielt sich eine Delegation des Obersten Gerichts der Republik Albanien auf Einladung der IRZ zu Fachgesprächen in Leipzig und Berlin auf. Zum Auftakt des Studienbesuchs wurden die sechs Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig von Prof. Dr. Ingo Kraft (Vorsitzender Richter am BVerwG) und Herrn Martin Steinkühler (Richter am BVerwG) empfangen.

Themen des fachlichen Austauschs waren die Rolle, Aufgabe und Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts, die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle sowie die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Fragen der Zulassungsgründe der Berufung und der Revision im Verwaltungsprozess sowie die Bedeutung der mündlichen Verhandlung in der deutschen Praxis standen ebenfalls im Fokus.

Am Folgetag wurde der Fachaustausch über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Räumlichkeiten des Deutschen Richterbundes in Berlin weitergeführt. Dr. Axel Schreier, Richter am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, stellte den Aufbau und die Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland vor und thematisierte die Verwerfungskompetenz von Verwaltungsgerichten sowie die konkrete Normenkontrolle aus der Sicht des vorlegenden Verwaltungsgerichts. Im Zuge des Besuchs der Delegation am Verfassungsgericht des Landes Berlin stand die Kompetenzverteilung zwischen der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit im Mittelpunkt der Gespräche.

Hintergrund der Studienreise ist die Einführung einer selbstständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Albanien durch das Gesetz Nr. 49/2012 „Über die Organisation und Funktionsweise von Verwaltungsgerichten und Verwaltungsstreitigkeiten“ im Jahr 2012. Im Fokus des zweitägigen Fach- und Erfahrungsaustausches standen daher Fragen, die sich in der albanischen Richterpraxis aus der Etablierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ergeben und sich aus der nötigen Kompetenzabgrenzung u. a. zu der Verfassungsgerichtsbarkeit stellen. Die Studienreise bot somit die Möglichkeit die im deutschen Verwaltungsrecht existierenden Parallelfragen vorzustellen und gemeinsam Lösungsansätze zu identifizieren.

Die Studienreise wurde im Rahmen einer Projektförderung durch das Auswärtige Amt zum Thema „Gerichtsorganisation“ finanziert. Für 2022 sind weitere Fachgespräche in Kooperation mit dem Obersten Gericht geplant.

Aus- und Fortbildung der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft

Albanien

Der Fokus der bilateralen Projektarbeit der IRZ in Albanien lag zwischen Februar und Mai 2022 auf der Zusammenarbeit mit der albanischen Magistratenschule, welche für die Aus- und Fortbildung der Justiz in der Republik Albanien zuständig ist.

Infolge des Vetting-Verfahrens spielt die Magistratenschule in der Nachbesetzung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten eine zentrale Rolle. Die Aus- und Fortbildungskapazitäten der Magistratenschule sind in den vergangenen Jahren daher erhöht worden und auch der Bedarf nach deutschen und europäischen Erfahrungen in Hinblick auf die Rechtsausbildungspraxis ist beständig gestiegen.  

In diesem Zusammenhang unterstützt die IRZ auch 2022 die Magistratenschule im Rahmen ihres Lehrplans mit der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu verschiedenen Themenbereichen:

Justiz und Medien

Am 10. Februar 2022 fand ein erstes hybrides Seminar zum Thema „Justiz und Medien“ in den Räumlichkeiten der Magistratenschule statt. Im Auftrag der IRZ referierte Frau Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D. zum (Spannungs-) Verhältnis von Justiz und Medien im Hinblick auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden. Im Fokus der Veranstaltung standen albanische, deutsche und europäische best practices, Rechtsgrundlagen, Voraussetzungen und (Krisen-) Strategien für eine proaktive und verfahrensbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit

Am 15. März 2022 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der albanischen Magistratenschule ein weiteres hybrides Seminar zur Frage der Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit in Albanien. Von deutscher Seite wirkte im Auftrag der IRZ Prof. Dr. Michaela Wittinger, Professorin für Staats- und Verfassungsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim an der Veranstaltung mit. Vor dem Hintergrund der vergleichsweise jungen Verwaltungsgerichtbarkeit, welche in Albanien 2012 als separater Gerichtszweig eingeführt wurde, lag das Hauptaugenmerk der Veranstaltung auf den jeweiligen Zuständigkeiten, der nötigen Kompetenzabgrenzung und dem Zusammenspiel zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit.

Cyberkriminalität

Am 28. März und am 6. Mai 2022 richtete die IRZ in Kooperation mit der Magistratenschule zwei hybride Veranstaltungen zum Thema „Cyberkriminalität“ aus. Gegenstand der Seminare war die Anpassung der albanischen Rechtsordnung an das Budapester Übereinkommen über Computerkriminalität mit besonderem Augenmerk auf rassistische und fremdenfeindliche Handlungen im Netz (28. März 2022) sowie die Frage der Sicherung und Verwertung digitaler Beweismittel im Strafverfahren (6. Mai 2022). Für die Darstellung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens und der deutschen Praxis konnte die IRZ Herrn Andreas May, Leitender Oberstaatsanwalt von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, als Experten gewinnen.

An den vier Veranstaltungen, welche durch die Mittel des Bundesministeriums der Justiz finanziert wurden, nahmen rund 80 Vertreterinnen und Vertreter der albanischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft teil. Die Durchführung der Seminare in den Räumlichkeiten der Magistratenschule förderte ein lebhaftes und vertrauensvolles Diskussionsklima und einen regen Fach- und Erfahrungsaustausch zwischen den albanischen Teilnehmenden und den deutsch-albanischen Referententeams.

IRZ unterstützt das Oberste Gericht beim Aufbau einer Dokumentationsstelle

Während der Auftaktveranstaltung: „Trainingsreihe in Zusammenarbeit mit der Dokumentationsstelle des Obersten Gerichts der Republik Albanien - Methodenlehre und praktische Übungen zur Bildung von Rechtssätzen“ am 20. Dezember 2021 in Tirana (Albanien). Am Rednertisch, v.r.n.l.: Frau Dr. Arta Vorpsi, Kabinettsdirektorin am Obersten Gericht der Republik Albanien, Herr Frank Hupfeld, Projektbereichsleiter Südosteuropa II / Südkaukasus (IRZ), Mag. Thomas Traar, Richter des BG Bruck an der Mur (Österreich) und Herr Rainer Schliebs, RD, Leiter der Dokumentationsstelle am Bundesgerichtshof.
Republik Albanien

Im Rahmen der Projektförderung zum Thema „Gerichtsorganisation“ durch das Auswärtige Amt unterstützte die IRZ 2021 das Oberste Gericht der Republik Albanien bei der Errichtung einer Dokumentationsstelle.

Durch die Dokumentation von Gerichtsurteilen für den internen und externen Gebrauch und die Konzipierung eines entsprechenden Rechtsprechungs- und Dokumentationssystems hat die Dokumentationsstelle am Obersten Gericht in Zukunft zur Aufgabe, Richterinnen und Richter aller Instanzen in ihrer Rechtsprechungstätigkeit zu unterstützen und der Bevölkerung Gerichtsurteile zugänglich zu machen. Damit soll ein Beitrag zu einer moderneren, effizienteren und transparenteren Gerichtsorganisation geleistet und insgesamt das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz gestärkt werden.

Vor diesem Hintergrund organisierte die IRZ vom 13. bis 16. Dezember 2021 eine Studienreise für Frau Dr. Arta Vorpsi, Kabinettsdirektorin am Obersten Gericht, zum Bundesgerichtshof (BGH) und zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VHG BW). Während ihres Aufenthalts in Deutschland wurden Frau Dr. Vorpsi praxisnahe Einblicke in die Strukturen, Arbeitsweisen und Methoden der Dokumentationsstellen des BGH und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vermittelt. Im Laufe des Aufenthalts erläuterten der Leiter der Dokumentationsstelle am BGH, Herr Rainer Schliebs, sowie Herr Hans-Joachim Dose, Vorsitzender Richter am BGH, und Herr Florian Schmitt, Mitarbeiter der Dokumentationsstelle am BVerfG, die deutsche Praxis und Erfahrungen in diesem Bereich. Zudem konnten Lösungsansätze und Vorschläge für den albanischen Kontext identifiziert werden. Dieser Fach- und Erfahrungsaustausch in Karlsruhe wurde durch einen Besuch am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim abgerundet, der es Frau Dr. Vorpsi ermöglichte, die Arbeit der bundesweit einzigartigen Asyldokumentation am VGH BW kennenzulernen. Frau Dr. Vorpsi führte Gespräche mit Herrn Prof. Dr. Jan Bergmann, Vorsitzender Richter am VGH BW, Dr. Kathrin Osteneck, Richterin am VGH BW, und Dr. Sophie Roche, Leiterin der Dokumentationsstelle am VGH BW.

Komplementär zu dieser Studienreise veranstaltete die IRZ am 20. Dezember 2021 eine Auftaktveranstaltung zum Thema „Methodenlehre und praktische Übungen zur Bildung von Rechtssätzen“ in Tirana. Der Workshop richtete sich an wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und an das zukünftige Team der Dokumentationsstelle am Obersten Gericht. Unter der Leitung von Herrn Rainer Schliebs, Leiter der Dokumentationsstelle des BGH, und Herrn Thomas Traar, Richter am Bezirksgericht Bruck an der Mur (Österreich), wurde den Teilnehmenden anhand der Analyse deutscher, österreichischer und albanischer Entscheidungen und praktischer Gruppenübungen Methoden und Best Practices zum Verfassen von Rechtssätzen dargelegt.

Ergänzend zu diesem Fach- und Erfahrungsaustausch förderte die IRZ den Aufbau der Dokumentationsstelle des Obersten Gerichts durch umfassende Sachspenden. Sie stellte Standardwerken zum Recht der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention bereit und die Dokumentationsstelle konnte mit neuen Computern, Laptops, Scannern, einem Projektor und weiterem Bürobedarf ausgestattet werden.

Auch 2022 wird die IRZ im Rahmen der Projektförderung des Auswärtigen Amts den Aufbau der Dokumentationsstelle am Obersten Gericht in Albanien fachlich unterstützen und die erfolgreiche Zusammenarbeit weiter ausbauen.